Puh! Was gehört zum Start einer agilen Transformation?
Wenn du dir auch diese Frage stellst, bist du hier genau richtig. In dieser kleinen Serie zum Start von (agilen) Transformationen wollen wir uns dieser Frage annehmen und für uns relevante Stationen beleuchten.
Im ersten Blogbeitrag geht es um den legitimierten Status Quo als essentielle Hintergrundfolie eines Changevorhabens. Im zweiten Teil der Serie schauen wir uns die Komponenten eines legitimierten Zielbildes an.
Die Visualisierung soll Dir als kleines Cheatsheet dienen. Der Blogartikel hangelt sich an ihr entlang und beschreibt die wesentlichen Inhalte.
Lets get started!
Die genaue Analyse des aktuellen Status Quo ist essenzieller Bestandteil eines jeden Change Vorgehens. Im Status Quo geht es primär um den Ist-Zustand der aktuellen Gegebenheiten. Trotzdem ist in einer Status Quo Analyse bereits ein Bestandteil des Soll-Zustandes enthalten. Die Gewichtung geht aber klar zur Seite des Ists. Das siehst du oben links in meiner Visualisierung.
Im Großen und Ganzen geht es im Status Quo um drei wesentliche Perspektiven und das Klären von drei grundlegenden Fragen:
Notwendigkeit: Warum müssen wir uns bewegen? Das bekannte “Why” gibt dem Changevorhaben einen übergeordneten Sinn und dient als fester Bezugspunkt für die weiteren Aktionen.
Notwendigkeiten in der Praxis: Wir müssen die Arbeit in agilen Teams anbieten, weil wir eine hohe Abgangsquote unserer Mitarbeiter:innen feststellen. Diese äußern den Wunsch nach mehr Selbstorganisation in den Teams. Oder: Wir erhalten von unseren Kund:innen die Rückmeldung, dass wir auf Änderungswünsche am Produkt zu langsam reagieren.
Dringlichkeit: Warum sollten wir möglichst zeitnah damit anfangen? Hier dreht es sich um den zeitlichen Aspekt des Changes. Was verlieren wir, wenn wir noch länger warten?
Dringlichkeit in der Praxis: Mit dem weiterführen des aktuellen Programmes verlieren wir ab dem 01.01.2024 die benötigten Sicherheitsupdates und riskieren Angriffe.
Der Teil der Vision adressiert den Soll-Zustand des Changes: Wohin sollen wir uns bewegen?
Auch wenn es verlockend ist und viele Menschen sich gerne im Lösungsraum vertiefen. Im Status Quo steht die Vision (noch) nicht im Vordergrund. Trotzdem ist eine grobe Leitvision als Denkfolie sehr sinnvoll.
Stellt sie euch an dieser Stelle eher als einen Nordstern vor, welcher übergeordnet Ausrichtung in der Zeit des Changes liefern kann.
Wichtig ist an dieser Stelle auch: Gerade am Anfang eines komplexen Changevorhabens können wir nur grobe Visionen haben, weil diese sich mit hoher Wahrscheinlichkeit im Laufe der Veränderung noch durch Inspizieren und Anpassungen ändern kann (Obacht: Aktueller Stand des Irrtums).
Essentiell: Klarheit!
Unerlässlich ist bei der Gestaltung des Status Quo eine Sache: Alle Punkte Notwendigkeit, Dringlichkeit und Vision brauchen möglichst viel KLARHEIT. Hier existiert für euch als Transformationsteam eine große methodische Vielfalt.
Was kann uns bei dem Punkt Klarheit helfen?
Hilfreich kann es beispielsweise sein sich über den Business Impact des vorhandenen Status Quo/ des Ist-Zustandes oder des Problems bewusst zu werden und hierzu verschiedene Daten zu sammeln. Wie viel Geld setzen wir in den Sand? Wie langsam ist unsere Time to Market? Was macht das Problem mit unserer Mitarbeiter:innenzufriedenheit? Warten unsere Kunden? Daten sorgen für Klarheit.
Die Übersicht über die Datenlage und den Business Impact bietet eine gute Grundlage für die genauere Analyse des Problems. Nur eine bestimmte Gruppe von Menschen kann ausschließlich mit Daten das Ausmaß der Problematik fassen. Ein Großteil der Menschen benötigt auch eine Verbalisierung der Problematiken, welche sich ggf. aus den erhobenen Daten erkennen lassen. Verbalisierung und Kontextbezug sorgen für Klarheit.
Bilder sagen uns oft mehr als Worte. Diese Form der Klarheit durch passende Visualisierung können wir uns zu nutze machen. Gute Datenvisualisierung, grafische Elemente und Bilder verarbeiten wir als Menschen anders als Daten und Worte. Bilder sprechen uns subjektiver auf eine ganz bestimmte Art und Weise an und erzeugen Rapport und einen Bezugspunkt. Die Schwierigkeit für Dich als Teil des Transformationsteams liegt im Finden der passenden Visualisierung.
Vielleicht hast du es auch mit einer sehr haptischen Typen zu tun. Dann bieten an dieser Stelle auch die Ansätze von Lego Serious Play eine Alternative. Hast du das geschafft? Glückwunsch: Visualisierung schafft Klarheit.
Wie können wir noch Klarheit über den aktuellen Status Quo und die Visionen der Mitarbeiter:innen/ den Personen erhalten die vom Changevorhaben betroffen sind?
Eine valide Möglichkeit stellen Interviews und Umfragen dar. Also der direkte Austausch mit den betroffenen Personen. Hier können Wünsche, Befürchtungen und Ängste adressiert werden.
Wie sehen gute Interviews aus?
Wir gehen hier von komplexen Changevorhaben aus also ist es nicht einfach mit dem Umlegen eines einzelnen Schalters getan. Der Change adressiert soziale Systeme und wir können apriori noch nicht genau wissen wie das soziale System auf die Veränderung reagieren wird. Wenn es das Budget zulässt hat sich in Umfragen das Anwenden von qualitativen Interviewtechniken bewährt. Hier werden mit halbstandardisierten Interviews die Daten erhoben.
Gut eignen sich offene, erzählgenerierende Fragen. Diese geben mehr Informationen als geschlossene Fragen auf die lediglich mit Ja, Nein, Keine Ahnung geantwortet wird. Ein rein quantitativer Ansatz ist zur Interpretation eher schwierig. Aus quantitativen Ergebnissen die aktuelle ´Stimmung´ wahrzunehmen (hier spielen vielleicht auch Mimik, Gestik und Körpersprache eine Rolle) ist extrem schwierig.
Ein Kompromiss kann ein mixed-method Ansatz darstellen: Also beispielsweise eine qualitative Befragung mit ergänzenden quantitativer Befragungsanteilen. Oder eine erste größere quantitative Befragung und auf diesen Ergebnissen basierend eine Auswahl an qualitativen Befragungen.
Ein Problem eint alle Befragungen: Sie arbeiten im Business Kontext in der Regel nicht erschöpfend und erfüllen nicht vollumfänglich alle Gütekriterien:
Validität (Messung misst tatsächlich das, was zu messen ist)
Reliabilität (Messung liefert bei Wiederholung die gleichen Ergebnisse)
Objektivität (Ergebnisse der Messung sind unabhängig von den Befragenden und den Befragten)
Diese Gütekriterien par excellence zu erfüllen geht in der Praxis selten, außer wir befinden und in einem Laborsetting (und das würde uns ggf. auch schlecht zu interpretierende Ergebnisse in Bezug auf unser Changevorhaben liefern)
Sollten wir aufgrund dieses `Mangels´auf Interviews verzichten? Klare Antwort: Nein. Interviews liefern uns nach wie vor die relevantesten Informationen innerhalb der Organisation für einen Change. Hier erfahren wir aus ´erster Hand´, wie das System der Organisation tickt.
Wie kommen wir zur Akzeptanz/ Legitimation des Status Quo beim Start einer agilen Transformation?
Wir kreisen in unserer Visualisierung um den Begriff der Legitimation. Wie bekomme ich es hin, dass der Status Quo auch angenommen wird und als aktuelle Realität anerkannt wird?
Das Bild zeigt, dass es ganz unterschiedliche Perspektiven auf die Realität geben kann. In extremen Schulen des Konstruktivismus wird noch steiler die These propagiert, dass die Realität jedes Individuums selbst konstruiert ist.
Das Ziel einer stabilen Legitimation ist es, dass wir die relevanten Perspektiven abholen und in unser Bild des Status Quo integrieren. So erhöhen wir die Wahrscheinlichkeit, dass der spätere Change und der aktuelle Status Quo akzeptiert und als „kleinste legitimierte gemeinsame Wirklichkeit“ anerkannt wird.
Wie schaffen wir das beispielsweise in Interviewsettings?
Zunächst achten wir als externe Beratung darauf, dass wir gemischte Interviewteams kreieren zwischen internen und externen: Ziel ist hier eine Öffnung der Interviewten. Wir achten auch auf die Hierarchie, wenn ein Vorgesetzter seine Mitarbeiter:innen interviewt werden, sind die Ergebnisse durchtränkt mit Antworten sozialer Erwünschtheit/ Befangenheit.
Zusätzlich haben wir gute Erfahrungen gemacht, indem wir einen repräsentativen Querschnitt der Organisation befragen.
Der Clou ist, dass die einzelnen Gruppen nach den Interviews die Ergebnisse zum Review bekommen und explizit das Committent erfragt wird. Stimmen die Ergebnisse so, wie wir diese interpretiert haben? Geht ihr da mit? Die nächste Gruppe bekommt den bereits gereviewten Ergebnisse gespiegelt.
Wie eine Art Qualitäts-Sieb, durch welches die Ergebnisse von Review zu Review stets verfeinert und comittet werden.
Auch hier fahren wir schon mit dem Ansatz der inkrementellen Auslieferung und etablieren Inspizieren und Adaption.
Insgesamt soll der Status Quo Bericht zur Transparenz des aktuellen Ist-Zustandes beitragen und einen Nordstern beinhalten, wo es hingehen kann. Anstrengend aber lohnend: eine gute adäquate Aufbereitung der Ergebnisse und der transparente Umgang damit.
Im besten Fall kann jeder in anonymisierter Form die Ergebnisse ansehen. Der Status Quo Bericht erfüllt noch eine weitere wichtige Funktion: Er stellt insoweit auch ein Herzstück des Changes dar, weil aus ihm Erfolgsfaktoren und ggf. KPIs oder OKRs abgeleitet werden können gegen die der Erfolg des späteres Changes gemessen wird.
Wie geht es weiter?
Im nächsten Teil der Serie sehen wir uns den Weg zu einem legitimierten Zielbild an. Du erhältst wieder ein kleines, visualisiertes Zielbild mit einem begleiteten Blogartikel.
Du möchtest die Visualisierung als Datei haben?
Schreibe mir gerne eine Mail an: akademie@wibas.com
Du findest Change und (agile) Transformation genau so spannend wie ich?
Triff mich gerne auf unserer nächsten Schulung zum Certified Agile Change Manager